Sonntag, 24. Mai 2009

Wintermusik im Frühsommer – Bon Iver in der Großen Freiheit 36

Sie waren die musikalische Entdeckung des vergangenen Herbstes und hatten beim Reeperbahnfestival 08 das Publikum des Knusts verzaubert. Kein Wunder, dass Bon Iver nach Hamburg zurückkehren würden. Das ursprünglich gebuchte Knust erwies sich als viel zu klein, ebenso das zunächst als Ausweichquartier im Uebel & Gefährlich. So stand die Band um Justin Vernon am Mittwoch schlussendlich auf der Bühne der Großen Freiheit 36 zu sehen war. Natürlich wäre die intime Atmosphäre de Knust netter gewesen, andererseits macht es dort auch keinen Spaß, wenn es rammelvoll ist. Wenn Serien wie Grey’s Anatomy mehrere Lieder an prominenter Stelle paltzieren ist es kein Wunder, dass der Bekanntheitsgrad einer Band sich verwielfacth. So war ich gespannt, wie die Musik von Bon Iver im größeren Rahmen der Großen Freiheit 36 rüberkommen würde.
Um auf Nummer sicher zu gehen und einen Platz in den vorderen Reihen zu bekommen, waren wir früh da. So konnten wir die überraschend gute Vorband The Acorn genießen. Vorab aus der Konserve hatte mich deren folkiger Sound, der an ruhigere Wilco-Stücke erinnert, nicht vom Hocker gerissen. Fand ich ein wenig uninteressant. Ganz anders ist dies auf der Bühne, hier beweist die Band ihre musikalischen Qualitäten. Es wird besonderer Wert auf die Percussion gelegt, womit neben dem Schlagzeuger ein weiteres Mitglied ausschließlich beschäftigt ist. Das gibt dem Sound den nötigen Pep, um ihn interessant zu machen. Inzwischen habe ich auch meine Meinung zur Musik aus der Konserve revidiert, die sich bei genauerem Hinhören doch als gut erweist. Livemusik lohnt sich einfach!
Bon Iver ließen dann recht lang auf sich warten – fühlte sich vor allem lange an, da es in der Halle zusehends wärmer wurde und die Leute nach vorne drängten. In der Tat war es inzwischen fast voll geworden. Als es dann losging – mit „Flume“, glaube ich – brach ein wahrer Begeisterungssturm aus. Das Publikum sollte sich als sehr dankbar erweisen: der Musik wurde andächtig gelauscht, sobald ein Stück jedoch ausklang, brach es in Jubel aus, den ich bei Hamburger Konzerten selten erlebt habe. Bon Iver wussten das auch zu schätzen.
Im Vergleich zum Auftritt im Herbst lässt sich beobachten, dass Justin Vernon deutlich souveräner geworden ist. Damals – es war die erste Europatour – wirkte er noch recht schüchtern und schien es kaum zu fassen, auf welche Begeisterung seine Musik stieß. Heute geht er deutlich gelassener damit um – abgestumpft ist er aber noch nicht. Die Musik berührt übrigens im großen Rahmen genauso wie im kleinen. Ich bekam im Laufe des Konzerts mehrmals Gänsehaut, hier erspürt man die Bedeutung des Ausdrucks „unter die Haut gehen“. Dargeboten wurde quasi das komplette – recht spärliche Repertoire der Band aus dem Album For Emma, Foever Ago sowie der EP Blood Bank, plus einer sehr guten Talk Talk Coverversion. Den absoluten emotionalen Höhepunkt bilden jedoch die beiden Zugaben. Zunächst „Woods“, wo Mickey „Das Kind“ Noyce den Leadgesang übernimmt und die Band am vorderen Rand der Bühne um ein einziges Mikro versammelt ist. Dann „Wolves Act I & II“ mit Mitwirkung des Publikums – wenn die ganze Halle „what might have been lost“ mitsingt, dem kann man sich nicht entziehen. Wer da nicht emotional wird, ist ein Eisklotz!
Von Bon Iver gibt es auch ein „Concert à emporter“ von la Blogothèque. Besonders gut: "For Emma, Forever Ago"

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