Samstag, 31. Oktober 2009

Ich geh lieber zu Clubkonzerten – Muse in der Color Line Arena

Eigentlich war alles gut durchgeplant: Rückkehr von einer Geschäftsreise am späten Nachmittag, um mich gemütlich auf das Konzert am Abend vorzubereiten. Leider ging etwas schief: Ich verpasste den Flug in Paris, sodass Muse gerade begonnen hatte zu spielen, als ich in der Color Line Arena ankam. Ich verpasste deshalb das (wie ich danach hörte) spektakuläre Opening des Sets, als ich meinen Platz im Innenraum der Arena einnahm erklangen gerade die letzen Töne von „Resistance“, dem zweiten Stück.

Lange hatte ich darüber nachgedacht, ob ich die gut 50 Euro für dieses Konzert investieren sollte – so lange, dass ich fast keine Innenraumkarte mehr bekommen hatte. Umso erstaunter war ich, wie wenig Zuschauer in diesem Hallenbereich standen. Man konnte sich besser nach vorne arbeiten, als bei jedem mittelgroßen Clubkonzert. Schlussendlich war ein Standort nicht allzu nah an der Bühne ohnehin angebracht, denn Muse hatten bezüglich der Showelemente geklotzt, es empfahl sich, ein Blick aufs Gesamte zu behalten: Drei Türme, auf denen die drei Mitglieder der Band nach belieben in die Höhe gefahren werden konnten – der Schlagzeugerturm war gar um 360° drehbar – und wieder im Bühnenboden verschwanden. Die Türme dienten gleichzeitig als Projektionsfläche für Videoinnstallationen, auch die Lichteffekte waren nicht von schlechten Eltern. Dazwischen konnten die drei Herren von Muse, allen voran Sänger Matt Bellamy, bestens posen. Für die Augen war also einiges geboten.

Auch an der Musik gibt es nichts auszusetzen. Wer den Sound von Muse mag, kommt auf seine Kosten. Mit ihrer Mischung aus Indieriffs, Metal- und Progelementen sowie dem Bombast des 80er-Jahre Rocks (auch Queen wird auf dem neuesten Album zitiert) haben die Briten längst den Mainstream erobert. Der Schwerpunkt des Sets liegt noch stärker als ich gedacht hätte auf dem aktuellen Album The Resistance. Die Stücke, die mich auf Platte nicht alle gänzlich überzeugten, wirken live exzellent. Allen voran „United States of Eurasia“ und „Unnatural Selection“. Einzig die Ouverture der Exogenesis-Symphony wirkt als erste Zugabe etwas Fehl am Platz, es kommt naturgemäß zu viel aus der Konserve. Übrigens wird Muse auf der Bühne während des ganzen Konzerts von einem vierten Mann am Keyboard unterstützt, der aber weitgehend im Dunkeln bleibt.

Beim Publikum kommt ohnehin eher Begeisterung auf, wenn älteres Material gespielt wird. Auch für mich die Höhepunkte des Sets: „Cave“, sowie „Knights of Cydonia“ als krönende letzte Zugabe mit (nichts gerade originellem, aber durchaus passendem) Spiel-mir-das-Lied-vom-Tod-Intro. Danach konnte eigentlich nichts mehr kommen. Ein etwas längeres Set hätte ich mir für mein Geld schon gewünscht, zumal einige Songs, mit denen ich fest gerechnet hatte („Muscle Museum“) fehlten. Ich hätte dafür gerne auf Teile der aufwändigen Bühnenshow verzichtet.

Ein wenig zwiegespalten bin ich bezüglich der Stimmung in der Halle. Einerseits brauchte man nur um sich zu blicken, um die glücklichen Gesichter im Publikum zu sehen. Die allermeisten freuten sich augenscheinlich, da zu sein, alle Zuschaer auf den Rängen standen. Dennoch kam nicht wirklich Stimmung auf. Ob das an der Location oder an der komplett durchgestylten Show lag kann ich nicht beantworten. Clubkonzerte sind jedenfalls authentischer. Das Geld war’s zwar wert, doch mein primäres Ziel bei einem Konzertbesuch ist die Musik – wenn sie gut ist wirkt sie auch ohne Show.


Montag, 12. Oktober 2009

Kilians – Hjaltalín – Kings of Convenience

In Zeiten der Krise muss man effizient sein und Synergieeffekte nutzen. Deshalb gibt’s meine Konzerte der letzen beiden Wochen zusammengefasst in einem Post.

Beginnen wir mit einer etwas gestörten Aktion, einer Fahrt von Hamburg nach Hannover an einem Mittwochabend und das, um die Kilians anzuschauen. Nun, die Tour im Frühjahr war wegen Stimmversagen des Sängers verschoben worden, das Hamburger Nachholkonzert fiel auf einen ungünstigen Termin (zeitgleich mit Maxïmo Park) und jemand hatte eine Karte für das Hannoveraner Konzert abzugeben. Da schlägt man zu, denn ich finde die Kilians sind eine großartige Band.

Bereits nach dem ersten Kilians Konzert, das ich in Berlin gesehen hatte, war ich sehr angetan von dieser Gruppe aus der deutschen Provinz, die klingt wie die besten The-Bands des angelsächsischen Indie-Hypes. Daran hat sich nicht geändert. Allerdings war es schon seltsam, inmitten von Provinz-Kiddies (das soll jetzt nicht überheblich klingen, doch es gibt schon einen deutlichen Unterschied zwischen Hamburger und Hannoveraner Konzertgängern) zu stehen und Anfang-Zwanzigern auf der Bühne zu bewundern. Gelohnt hat es sich jedoch, denn die Kilians sind und bleiben live sehr sehens- und hörenswert. Selbst die Laberei zwischen den Stücken, die sich Sänger Simon den Hartog wohl auf Tour von Thees Uhlmann abgeschaut hat, ist nicht nur dummes Zeug und hält sich gerade noch so in Grenzen. Ein Erfolg über die jugendliche Zielgruppe hinaus wäre ihnen sehr zu gönnen.

Eine gute Woche später, zurück in den vertrauten Hamburger Clubs, genauer gesagt in der wunderbaren Prinzenbar. Hier spielt die nicht weniger wunderbare isländische Band Hjaltalín. Auf dem Dockville Festival war die Siebener-Combo etwas unter Wert als Opener für den ersten Festivaltag auf die Bühne geschickt worden, deshalb war ein Konzertgang in intimerer Clubatmosphäre angebracht. Man staunt immer wieder, wie ein Dreihunderttausend-Einwohner-Ländchen wie Island immer wieder innovative Bands hervorbringt und damit die Musikwelt bereichert. Im Musikmagazin meiner Wahl wurde die Theorie in den Raum gestellt, das läge daran, das man auf dem isländischen Musikmarkt ohnehin nicht von seinem künstlerischen Schaffen leben könne und die Bands dort deshalb nicht auf musikalischen Erfolg aus seien.

Nun, das kann sein, jedenfalls hat Hjaltalín neben seiner Herkunft ein weiteres Alleinstellungsmerkmal: es ist die einzige Rockband die ich kenne, bei der eine Fagottistin fester Bestendteil der Band ist. Die siebenköpfige Gruppe um Sänger Högni spielt orchestralen Folk, der spaß macht und interessant klingt. Beim Konzert in der Prinzenbar kam eine erstaunliche Vorliebe der Band für Disco zutage, die sich nicht nur während des Sets durch eine neue Eigenkomposition, sondern auch in der Zugabe äußerte, in der eine etwas eigenwillige Version von Michal Jacksons „Don’t Stop 'til You Get Enough“ dargeboten wurde“. Ein Genuss.

Einen vorläufigen Höhepunkt dieser herbstlichen Konzertsaison durfte ich am vergangenen Samstag erleben. Nach längerer Schaffenspause (in dieser Konstellation) waren die Kings of Convenience anlässlich ihrer Tour zu ihrem gerade erschienenen dritten Album Declaration of Dependance in der Stadt, genauer gesagt im Kampnagel. Das dortige K6 erwies sich als gute Wahl für dieses Konzert, da die Kombination aus Sitzplatztribüne und Stehplätzen vor der Bühne trotz der Größe des Saals eine recht intime Atmosphäre ermöglichte. Beim ruhigen Acoustic-Folk der Kings of Convenience war das ein eindeutiges Plus. Stichwort ruhig: die einen finden die Musik der beiden Norweger Erlend Øye und Eirik Glambek Bøe langweilig, die anderen wunderschön. Doch noch mehr werden vermuten, dass deren Konzerte mit Sicherheit Langeweile versprechen. Nun, genug Menschen denken das nicht, denn das Konzert im Kampnagel war langes schon ausverkauft.

Diejenigen, die sich frühzeitig Karten ergattert hatten, wurden durch ein absolutes Konzerthighlight belohnt. Es begann zugegeben etwas ruhig, Herr Øye wirkte anfangs etwas verstimmt. Das legte sich schnell. Die erste Hälfte des Konzert bestritten die beiden Herren alleine auf der Bühne, jeder eine Akustikgitarre bespielend. Erstaunlich, was man mit diesen Instumenten für eine Stimmung erzeugen kann, wenn man sie so gut beherrscht. Dazu die perfekt harmonierenden Stimmen der beiden Herren. Dann wurde Verstärkung geholt, von einem (Contra-)Bassisten und einem Violonisten. Nun wurde die Musik noch Stimmungsvoller. Waren zu Anfang noch die ruhigeren Songs des neuen sowie des ersten Albums Quiet is the New Loud gespielt worden, kamen im diesem zweiten Konzertteil die etwas schwungvolleren Stücke von Riot on an Empty Street zum Zuge. Das Publikum war entzückt.

Das Konzert ist im Übrigen alles andere als Langweilig. Die Herren Øye und Bøe kommunizieren ganz gern mit dem Publikum und haben offensichtlich sehr viel Spaß am spielen. Es gibt Witze, Croudpleaser, Audience Participation und es wird nach Wünschen des Publikums gefragt. Diese kann man auch ganz gut breücksichtigen, wenn man, wie wir erfahren, keine Setlist hat. Nun, „I’d Rather Dance…“ wurde dennoch erst als letzte Zugabe gespielt. Soviel Planung war schon drin. Zudem hatten die beiden nicht genug von ihrem etwa 100 Minütigen Set, Erlend Øye (übrigens der absolute Obernerd, man kann sich nur amüsieren, wenn man ihn anschaut) hatte noch spontan eine Aftershow-Party in einem Nebenraum des Kampnagel organisiert, wo er dann das beste aus der Musiksammlung seines Laptops zum besten gab. Übrigens eine durchaus überraschende Mischung. Und Mittendrin amüsierte sich am meisten: die Band.

Eins noch, das ich an dieser Stelle loswerden will: Während des Konzerts stellt Eirik Glambek Bøe eine Frage in den Raum, die viel über die deutsche Radiolandschaft aussagt. Er berichtete, dass eine italienische Freundin ihm schrieb, sie sei genervt, weil die aktuelle Single der Kings Of Convenience „Mrs. Cold“ im italienischen Radio zu Tode gespielt werde. „How come we are considered a mainstream band in Italy and, well, difficult in Germany?“ Nun, das frage ich mich auch! Und in der Tat: Platz 5 der Italienische Radio-Airplay-Charts.