Samstag, 22. November 2008

Franz Ferdinand - kurz, schnörkellos, intensiv

Im Januar ist es soweit: Das dritte Album mit dem recht einfallslosen Titel "Tonight: Franz Ferdinand" kommt auf den Markt. Zuvor absolvieren die vier Schotten noch schnell eine kleine Tournee durch Europa, Kanada, USA, Neuseeland und Australien, um an ihre alten Hits zu erinnern und einen kleinen Einblick in ihr neues Werk zu geben.

Genauso war es auch vergangenen Montag in Berlin - beim einzigen Konzert in Deutschland. Ich traf so kurz vor neun ein - lange Schlange vor der Kulturbrauerei, eine kurze an der Garderobe, eine wieder etwas längere an der Bar. Leider war ich mal wieder arg angeschlagen, so dass ich mich nach dem ganzen Anstehen mit einer Bionade und meiner Erkältung in der zweiten Reihe positioniert hatte. Recht pünktlich ging es dann auch los. Mit der Münchner Kombo Kamerakino. Über diese Vorband möchte ich eigentlich gar nicht viel Worte verlieren. Allein beim ersten Song "Finger of love" (Ausschnitt) rollten sich bei mir alle Nägel hoch. Ganz schlimm auch "Besetzt besetzt besetzt". Mir ist schon klar, dass man alte Bekanntschaften pflegen sollte - aber muss dies Franz Ferdinand-Gitarrist Nick McCarthy unbedingt bei seiner alten Band beherzigen. Weniger Klüngel hätte uns diese karierte Stolpermusik erspart. Nach knapp 30 Minuten mit einzelnen Buhrufen und dem größten Applaus vor der Ankündigung, hier komme der letzte Song, war es überstanden - und bei vielen der Alkoholkonsum aus purer Verzweiflung rapide angestiegen.

Danach ging eigentlich alles unglaublich schnell. Punkt zehn standen auch schon Franz Ferdinand auf der Bühne. Unaufgeregt. Abgeklärt, aber gut gelaunt. Wie immer tauchen auf einmal viele Teenie-Hände mit Fotokameras vor einem auf, das Publikum gerät noch mal in einen spontanen Bewegungsfluß, bis jeder sich positioniert hat und freudig den ersten Akkord erwarten, um bei Erkennen des Songs laut aufzujuchzen und die ersten rhythmischen Bewegungen zu starten. Los ging's mit "Bite Hard", einem von insgesamt fünf neuen Tracks, die Franz Ferdinand den Berlinern als Vorgeschmack präsentierte. Und ich muss sagen: Ach, ich weiß nicht. Frontmann Alex Kapranos soll ja gesagt haben, Punkrock sei langweilig geworden. Man merkt den Stücken an, dass sie experimenteller sein wollen, mehr Funk, mehr Beats. Bereits beim zweiten Album fand ich nicht jeden Song auf Anhieb knalle, beim dritten bin ich jetzt leider auch skeptisch.



Um so schöner, dass die Jungs aus Glasgow auf ihrer Setlist auch die Klassiker berücksichtigten. Bei "Matinee" schien das ausverkaufte Kesselhaus zum ersten Mal auseinander zu bersten. Spätestens bei "Take me out" schwappte das Bier auch bei den Konzertbesuchern in den hintersten Reihen aus den Plastikbechern. Dieser Stampf-Sound - ein wirkliches Glanzstück. Auch die Performances zu Tanzhure "Michael", meinem absoluten Favoriten, und "This Fire" wurden gewohnt cool und geradlinig gespielt und vom Publikum mit Textsicherheit und Frenetismus belohnt. Es ist ja sowieso erstaunlich, wie schnörkelos Franz Ferdinand ihre Songs spielen können, wie exakt. Abgesehen von "Send Him Away", als der Bassist den Einstieg verhunzte ("sorry bout that Berlin", Drummer Paul Thomson), klingen die Songs quasi wie vom Album abgespielt, nur unterbrochen von ekstatischen Begeisterungsgejohle, das der Band nonstop frontal entgegensprudelt. Und auch wenn sie schon alte Hasen sind, man merkt ihnen an, dass sie es immer noch genießen können.

Nach 50 Minuten der erste Abgang, einmal gelang es den Konzertbesuchern noch Franz Ferdinand für rund 15 Minuten auf die Bühne zurück zu locken. Anschließend drängelte sich alles durch den schmalen Eingang zurück zur Garderobe. Und dies war fast so schlimm wie Kamerakino. Liebe Kulturbrauerei, ich habe Verständnis für die baulichen Gegebenheiten eurer Location, aber nicht für unkoordiniertes, demotiviertes Personal, dass den Ansturm auf die Garderobe nicht im Ansatz bewältigen konnte. Während sich schwitzende Laiber von allen Seiten aneinander reibten und ich mir die rote Locken meiner Vorderfrau ständig aus meinem Gesicht streichen musste, hatte ich noch knapp eine Stunde die Gelegenheit, Stimmungen der unterschiedlichsten Besucher einzufangen: "Ja, ja, kurz war es. Aber lieber kurz und voll intensiv", meinte ein Wartender neben mir. Ja, da gebe ich ihm recht.

6 Kommentare:

nadja7 hat gesagt…

Hi Thomas!
Kamerakino sind doch der hammer!
ich war auch ganz vorne und hatte nicht den eindruck
daß die vom publikum so wahrgenommen wurden wie du es schilderst. ich fand die band absolut sehens - und hörenswert, richtig klasse. von FF hab ich dagegen schon bessere konzerte erlebt...

Anonym hat gesagt…

Lieber Thomas,
zu KK: nicht nur Nick McCarthy pflegt seine Freundschaft zu seinen ehemaligen Bandkollegen, auch Paul Thomson liebt die Jungs und Mädels - hat er doch deren letztes Album produziert und veröffentlicht. Trotzdem danke für den tollen Bericht!

Anonym hat gesagt…

KAMERAKINO RULES OKAY!!!
UND TONIGHT AUCH, DEPP!!!

Anonym hat gesagt…

Na wenigstens polarisieren Kamerakino. Aber Musik machen die nicht...

The French German hat gesagt…

Kleiner Ausschnitt aus der Musikexpress Konzertkritik:Die "tapfer gegen allgemeines Desinteresse und Unverständnis anmusizierenden Vorgruppe Kamerakino..."
Kann also nicht soo megaprickelnd gewesen sein!

Anonym hat gesagt…

hi, tolle review. merci fürs verlinken zu setlist.fm.