Sonntag, 26. September 2010

Reeperbahnfestival 2010 – Donnerstag

Wie bei kaum einem anderen Festival ist der Besucher des Reeperbahnfestivals gezwungen, sich entweder vorher ausführlich mit dem Programm und den gebuchten Musikern auseinanderzusetzen oder sich immer wieder überraschen zu lassen. Das hat zwei Gründe: zum einen muss man sich zwischen ca. 180 Bands entscheiden, die hier in drei Tagen auftreten, wobei man maximal fünf Bands pro Abend schafft. Es geht ja erst gegen 20 Uhr los und man muss einkalkulieren, dass Locationwechsel auch Zeit kosten können. Zum anderen sind bis auf ein paar Zugpferde der Großteil der beim Reeperbahnfestival auftretenden Künstler zumindest in Deutschland noch kaum bekannte Newcomerbands, die es noch zu entdecken gilt.

In der Regel strickt sich also jeder ein eigenes Festivalprogramm. Diejenigen Bands, die man schon kennt und mag bilden die Fixpunkte, drum herum wollen die zahlreichen offenen Zeitfenster gefüllt werden. Man entdeckt auf diese Weise schon bei der Vorbereitung auf das Festival viel tolle neue Musik, von der man vieles aus Zeitmangel beim Festival nicht live sehen kann.

Der Donnerstag ist traditionell der Tag, an dem das Reeperbahnfestival erst langsam in Fahrt kommt. Es sind noch weniger Locations als an den Folgetagen, der Andrang ist noch nicht ganz so groß und es sind meist auch weniger „Top Acts“ für den Tag geplant. Für uns ging es in der Prinzenbar mit einer französischen Band los, die sich selbst einen ziemlich bescheuerten Namen gegeben hat, The Popopopops. Auf der Festivalhomepage angekündigt als Vetreter der coolen französischen Popmusik à la Phoenix, fühlte ich mich eher an Two Door Cinema Club erinnert. Die sehr jungen und sich – angesichts des Bandnamens nicht unüberraschend – nicht ganz ernst nehmenden Musiker beweisen großes Talent und überzeugen das Publikum der Prinzenbar. Hoffentlich gibt’s davon bald mehr.

Es ging anschließend für einige Stunden hinüber ins Molotow, wo gleich drei interessante Bands am Stück spielten. Zunächst ging es los mit Deer Tick, eine Folk-Rock Band aus den USA. Ähnlich wie küzlich Delta Spirit war ich auch hier erstaunt von der Countrystimme der Sänger, die Songs hätten auch gut aus den 60ern stammen können. Hört man immer wieder gern.

Kurran and The Wolfnotes, die danach an der Reihe waren, sollen laut Festivalprogramm zu den jungen Bands gehören, die sich nach dem Erfolg von Mumford and Sons zur zunehmenden Anzahl junger britischer Bands gehören, die sich zur Folk-Tradition ihres Landes bekennen. Diesen Trend kann ich nur begrüßen, wobei Kurran and The Wolfnotes etwas flotter und mit weniger Pathos unterwegs sind, als die genannten angeblichen Vorbilder. Außer dem nach Auskunft des Sängers einzigen guten Song „Your Four Limbs“ gibt es noch mehr tolle Stücke, die Lust auf das hoffentlich bald erscheinende Debutalbum der Band machen. Der gute Kurran sollte allerdings darüber nachdenken, seine Imposante Rotzremse abzurasieren, das würde vielleicht den Erfolg beiden Mädels verbessern.

Es geht weiter mit Life is Film, ebenfalls eine britische Truppe, die jedoch deutlich poppiger unterwegs ist als ihre Vorgänger auf der Bühne des Molotow. Stellenweise fühlt man sich ein wenig an Scouting for Girls erinnert, ohne dass die Songs jedoch ganz so schnulzig wären. Einige haben jedoch durchaus Potential für die Popwellen des Landes entdeckt zu werden, was in diesem Fall aber wünschenswert wäre und der noch recht schüchtern wirkenden sympathischen Band zu gönnen wäre, den nsie schreiben richtig gute Indiepopsongs. Für mich das beste Konzert des Abends. Es gibt ihn noch, den tanzbaren Indiepop von der Insel. Hier gibt’s die aktuelle Siingle „Sorry“ samt B-Seite als kostenlosen Download.

Zum Abschluss des Abends begaben wir uns ins Docks, um eine der bekannten Bands des heutigen Tages anzuhören. Nachdem ich durch ihr kürzlich erschienenes Album Mavericks sehr positiv überrascht war, freute ich mich auf Johnossi. Obwohl sie nur zu zweit sind, heizen die beiden Schweden auf der Bühne ordentlich ein. Nach der Enttäuschung auf dem Hurricane im vergangenen Jahr bestätigte sich mein verdacht, dass das eine Band für den Club ist, nicht für die Open-Air Bühne. Ganz bis zum Schluss hielten wir es dann angesichts des vorangegangenen Arbeitstages nicht mehr aus, doch ich hatte die Songs gehört, die ich hören wollte, daher war alles gut.

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