Zu diesen Rahmenbedingungen passten auch die Konzerte, die ich im Laufe des März besuchte. Gleich zu Beginn ging es los mit Seabear, einer sehr spannenden isländischen Band. Das Bild, was man sich allgemein von isländischer Musik macht, ist meist beeinflusst von Björk oder Sigur Ros. Seabear muss man eher in die Richtung letzterer rücken. Das siebenköpfige, recht eklektische Ensemble macht träumerische Folkmusik, die einem in diesen grauen Wintertagen das Herz erwärmt. Entdeckt hatte ich sie bei Reeperbahnfestival 2008, wo sie zu später Stunde im Imperial Theater die Zuschauer einlullten und für sich vereinnahmten. An diesem Märzabend im Hafenklang war es zwar nicht ganz so gemütlich, jedoch dafür enger und intimer. Beglückt verließen wir den Club, bemüht, die Wärme des Konzerts nicht schon auf dem Heimweg durch die Kalte Nacht wieder zu verlieren.
Zwei Tage später ging es weiter mit der träumerischen Musik. Get Well Soon, die Band des deutschen Indie-Wunderknaben Konstatin Gropper, war in der Stadt, um ihr neues Album zu präsentieren. Nach dem (zurecht) hoch gelobten und ausgedehnt betourten Debut Rest Now, Weary Head, You Will Get Well Soon, waren die Erwartungen entsprechend hoch. Das neue Album Vexations gefällt mir ebenfalls gut, wenn es auch nicht ganz an das Erstlingswerk heranreicht. Dennoch war der Besuch des Konzerts im nicht übermäßig gut gefüllten Uebel & Gefährlich lohnenswert. Zwar bestätigten Get Well Soon den Eindruck aus früheren Konzerten, dass Live-Auftritte nicht ihre größte Stärke sind. Dennoch entwickelt die orchestrale Musik auf der Bühne ihre volle Entfaltung. Unterstützt wurde das ganze durch die visuellen Effekte der etwa 90-minütigen Darbietung. In der Tat wird das komplette Konzert untermalt von einer Videoinstallation, die von (häufig eher tristen) Naturaufnahmen dominiert wird. Man sieht viel Wald und gedeckte Farben, teilweise aber auch sehr spannende künstlerische Wendungen. Auf jeden Fall sehr passend. Kein Konzert für Sommerhitze.
Einige Zeit später konnte der Frühling sich nun endlich langsam durchsetzen und ich musste mich nicht mehr ganz so warm einpacken, wenn ich mir für ein Konzert vor die Tür wagte, um zu Los Campesinos ins Molotow zu fahren. Die waliser fallen auf durch ihre sehr mitreißenden und gutgelaunten, intensive Spielweise auf. Jeder Song verfolgt augenscheinlich das Ziel, den Zuhörer zum Tanzen zu bewegen. Gleichzeitig wird auf eine große Instrumentenbandbreite gesetzt, neben den „klassischen“ Rockinstrumenten u.a. Geige, und Querflöten. Der Auftritt an diesem Abend war etwas getrübt durch die schwächelnde Form von Sänger Neil Campesinos. Dieser hatte in der Tat ein wenig seine Stimme verloren, was vor allem zu Anfang des Sets zu einigen Hustenanfällen führte. Dennoch ist es sehr erstaunlich, wie jemand kaum mehr sprechen kann, doch gesanglich noch erstaunlich gut durch den Abend kommt. Seine Stimmbänder werden es ihm vermutlich nicht danken, doch die Mühe bescherten der Band große Sympathien des Publikums, das denn auch glücklich nach Hause ging.